MARKEN

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Da das Gebiet der Marken direkt den Kriegsoperationen ausgesetzt war, konzentrierte sich das Interesse der deutschen Heeresgruppe in Süditalien auf den Einsatz von Hilfsarbeitern und Arbeitskräften für Befestigungs- und Evakuierungsarbeiten, insbesondere für den Bau der Gotenstellung. Dies erklärt zum Teil die relativ geringe Zahl von Arbeitskräften, die aus den Marken ins Reich geschickt wurden, weil die Arbeitskräfte ja vor Ort gebraucht wurden. Parallel zu den Versuchen, Freiwillige zu rekrutieren, führten die deutschen Behörden in dem Gebiet eine Reihe von Razzien durch, die oft gleichzeitig mit denen gegen die Partisanen stattfanden. Diese Razzien wurden von der Wehrmacht in Zusammenarbeit mit italienischen Einheiten durchgeführt, deren Aufgabe es war, Arbeitskräfte zu finden, die jenseits des Brenners eingesetzt werden konnten. Dies begünstigte die Flucht junger Menschen in die Berge, die – auch um den Aufrufen zur Arbeit zu entgehen – in Partisanenverbände eintraten. In diesem Zusammenhang spielte die Militärkommandantur 1019, das lokale Organ der deutschen Verwaltung in Italien, eine wichtige Rolle. Bereits in ihrem ersten Bericht über die Lage in den Marken stellte sie klar, dass die mehrfachen Zwangsrekrutierungsversuche der Truppen im Einsatzgebiet zur Flucht der männlichen Bevölkerung in die Berge führten. Andererseits gestand der erste Bericht auch, dass die Ergebnisse der Anwerbungskampagne italienischer Arbeiter sehr enttäuschend seien, so dass die von der Arbeitsabteilung der deutschen Verwaltung in Italien auferlegte Norm von 12.000 – 14.000 ins Reich zu entsendenden Arbeitskräften aus jeder Provinz niemals erreicht werde. Auf der Basis der Informationen, die sich aus allen Berichten ableiten lassen, kann man feststellen, dass die Rekrutierungskampagne zur Arbeit in Deutschland für die Anwerber in den Marken ein unbefriedigendes Ergebnis erzielte. Auch die Razzia der deutschen Truppen, die im März 1944 in den Marken begann, muss unter dem Gesichtspunkt der Suche nach Arbeitskräften für Deutschland gesehen werden. Von den Arbeitern, die bei diesen Aktionen aufgegriffen wurden, arbeiteten die meisten in Deutschland bei der Firma Reimahg in Kahla, die für den Bau des Jagdbombers Messerschmitt 262 (Me 262) zuständig war. Die Geschichte von Reimahg ist eng mit der Geschichte der Zwangsarbeiter aus den Marken, insbesondere aus Macerata, verbunden, die zum Bau der Anlagen im April und Mai 1944 in Kahla eintrafen. Im April 1944 waren bereits 187 Italiener dort beschäftigt, doch insgesamt waren etwa 15.000 Menschen aus neun Ländern in den Werken tätig. Unter den etwa 10.000 Zwangsarbeitern in Kahla im Januar 1945 waren wohl die meisten Sowjets (3.476 Arbeiter), unmittelbar gefolgt von den Italienern (3.178 Arbeiter). Nach den jüngsten historiographischen Forschungen (Studien von Marc Bartuschka) liegt die Zahl der Arbeiter, die in Kahla ihr Leben verloren haben (einschließlich der Zeit unmittelbar nach der Befreiung), zwischen 2.000 und 3.000. Es handelt sich somit um eine viel höhere Zahl als die ersten Schätzungen, bei denen von 991 Gefallenen die Rede war, aber sicherlich auch um eine viel zuverlässigere als die nur auf Zeugenaussagen beruhende Zahl von 6.000, die auf dem zu ihrem Gedenken in der thüringischen Stadt errichteten Mahnmal steht. Laut Untersuchungen von Bartuschka dürfte die Zahl der Gefallenen unter den Italienern jedoch zwischen 750 und 1.000 liegen, d.h. zwischen einem Viertel und einem Drittel des gesamten Kontingents der Halbinsel.

WORTE DER GESCHICHTE

Freiwillige und erzwungene Rekrutierung zwischen der Front und der Gotenstellung.

Die Militärkommandantur 1019 und die Rekrutierung von Zwangsarbeitern.

Die zentrale Bedeutung des Lagers Kahla für die Zwangsarbeiter aus Macerata.

Eine beispielhafte Geschichte: Balilla Bolognesi und seine „Tagebücher eines Deportierten”.

von Annalisa Cegna

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