BELLUNO

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Die Präsenz von Arbeitern aus Belluno im Reich in den Jahren 1938-1945 war sehr hoch, aber sie muss im Rahmen einer langjährigen saisonalen Migrationstradition gesehen werden. Ende Juli 1941 belief sich die Zahl auf 3.826 Personen.

Ab 1942 ging die Abwanderung von Arbeitskräften, die entweder Mitglieder faschistischer Gewerkschaftsorganisationen waren oder von in Deutschland tätigen italienischen Unternehmen angeworben wurden, deutlich zurück.

Ende 1943 befanden sich auf jeden Fall 1.936 Industriearbeiter in den Reichsländern. Die meisten von ihnen wurden nach dem 25. Juli gefangen genommen. Im folgenden Frühjahr kamen noch 500-600 landwirtschaftliche Saisonarbeiter hinzu, was die Gesamtzahl auf etwa 2.500 ansteigen ließ. Diejenigen, die sich am 31. Dezember 1943 im Reich aufhielten, d.h. die oben erwähnten 1.963 Arbeiter, erhielten einen Vorschuss von 500 oder 1.000 Lire auf die Überweisungen, die durch die Ereignisse nach dem 8. September, d.h. die Besetzung und Angliederung der Provinz Belluno zur sogenannten „Operationszone Alpenvorland”, unterbrochen worden waren.

Abb. 1, 2 (ASB, Gabinetto Prefettura, b. 340, fasc. XII-4-A, sottofasc. 562)  

In der Zwischenzeit war die Provinz Belluno, die nach dem 8. September von den deutschen Streitkräften besetzt worden war, zusammen mit Trient und Bozen Teil der Operationszone Alpenvorland (OZAV) geworden.

Mit der Verordnung Nr. 25 vom 30. Oktober 1943 wurde eine Zählung aller verfügbaren männlichen und weiblichen Arbeitskräfte für den Arbeitsdienst angeordnet.

Abb. 3, 4, 5 (ASCB, Atti, Anno 1944, Cat. VIII, Guerra, Ordinanze del Comando Germanico), 6, 7 (ASB, b. 340, fasc. XII-4-A, sottofasc. 535)

Mit der Verordnung Nr. 41 vom 7. Januar 1944, die die Verordnung Nr. 30 vom 6. November 1943 ergänzte, wurde der Kriegsdienst in der Organisation Todt (OT), dem Sicherheits- und Ordnungsdienst (SOD) in der Provinz Bozen, dem Sicherheitskorps Trentino (CST) und ähnlichen Sicherheitsorganisationen, der Polizei, der SS-Armee, der deutschen Wehrmacht oder Einheiten der neuen italienischen Streitkräfte obligatorisch.

Abb. 8, 9,10, 11 (ASCB, Atti, Anno 1944, Cat. VIII, Guerra, Ordinanze del Comando Germanico)

Mit der Verordnung Nr. 25 vom 30. Oktober 1943 wurde eine Zählung aller verfügbaren männlichen und weiblichen Arbeitskräfte für den Arbeitsdienst angeordnet.

Angesichts der Verfügbarkeit von Arbeitskräften wurde die Arbeit in Deutschland zunächst auf freiwilliger Basis beibehalten, während man mit der Versicherung eines lukrativen Verdienstes versuchte, vor allem für Bozen Arbeitskräfte anzuwerben.

Abb. 12 (ASB, b. 340, fasc. XII-4-A, sottofasc. 535), Img. 13 (ASCL, b. 18, Cat. Truppa e Leva)

Die Notwendigkeit, Arbeiterinnen und Arbeiter für Nordtirol zu sichern, einerseits und die mangelnde Bereitschaft der Menschen aus Belluno, nach Innsbruck und Landeck zu gehen, andererseits gaben den Ausschlag zur Einberufung, vor allem nach Nordtirol, wo auch diejenigen landeten, die den verschiedenen Einberufungsbescheiden nicht Folge geleistet hatten. Abb. 14 (ASCT, b. 136, Anno 1944, Cat. VIII, f. Leva e Truppa – Servizi militari)

Angesichts der Arbeitsbedingungen verließen ab Mai 1944 viele derjenigen, die in den Urlaub zurückgekehrt waren, das Land nicht mehr, weil sie sich krank melden ließen oder untertauchten.

Abb. 17 (ASB, Gabinetto Prefettura, b. 340, fasc. 562)

In Berchtesgaden landeten die sog. sbandati (Soldaten der aufgelösten Armee) und die Verweigerer, die von den deutschen Streitkräften gefangen genommen wurden. Einige davon waren: Giovanni Scussel, Marcello Rumor, Severino Benvegnù, Alfredo De Gottardo, Giovanni Fontanive, Umberto Moretti und Mansueto Brancaleone. Sie wurden am 31. März verhaftet und kamen am 3. April im Arbeitslager Riemerfeld Obersalzberg bei Berchtesgaden an. Vier von ihnen, mit Ausnahme von Benvegnù, versuchten am 18. und 19. April zu fliehen. Sie wurden gefangen genommen (insbesondere Romor wurde brutal bis zur Entstellung geschlagen) und am 25. April in das KL Dachau gebracht. Alle wurden unter der Kategorie „Schutzhäftling” registriert, d.h. sie wurden aus Sicherheitsgründen deportiert. Am 23. Mai kamen sie in das KL in Flossenbürg, wo sie als Bergleute und Bergmannsgehilfen in Granitsteinbrüchen eingesetzt wurden. Am 13. Juni wurden sie erneut verlegt, dieses Mal nach Hersbruck, einem Außenlager von Flossenbürg. De Gottardo blieb jedoch im Hauptlager, wo er am 20. August starb.

Nur Umberto Moretti überlebte und musste einen letzten Transport nach Dachau über sich ergehen lassen, wo er am 24. April 1945, wenige Tage vor der Befreiung des Lagers, eintraf. Fontanive und Rumor hingegen waren am 8. bzw. 13. Oktober in Hersbruck gestorben, während Brancaleone am 10. November nach Flossenbürg zurückkehrte und dort am 29. desselben Monats verstarb.  Scussel war am 6. November in Hersbruck gestorben.

Aus Berchtesgaden hatte Giovanni Scussel vier Postkarten geschrieben, in denen er seine Mutter über seinen Zustand informierte und beruhigte. Die Letzte ist auf den 18. April datiert, kurz vor seiner Flucht.

April 18.4.44

Liebe Mama, auch heute schicke ich dir diese wenigen Zeilen, um dir mitzuteilen, dass es mir immer noch bestens geht, so wie ich auch hoffe, dass es dir und den Schwestern weiterhin gut geht. Es sind wunderschöne Tage hier, und es ist eine Freude, bei diesem herrlichen Wetter zu arbeiten. Das Essen reicht mir immer, wir bekommen hier auch Pudding, auch gekochte Eier, Salami und jeden Tag Fleisch, manchmal sogar zweimal. Ich habe noch nie so viel Fleisch gegessen und einmal in der Woche gibt es Nudeln mit Soße, aber aus weißem Teig, wie die, die Maria aus Cortina mitgebracht hat. Viele liebe Grüße an dich und die Schwestern.

Dein Sohn Giovanni

Abb. 15 (ASCSPC, b. 380, Atti, Anno 1944, Cat. VII, Classe VI),  16 (Proprietà del nipote Moreno Gambaretto)

Erst im Sommer 1944, angesichts verstärkter Partisanenaktionen, wurden diejenigen, die bei den Razzien erwischt wurden, in das Durchgangslager Bozen und von dort teils in KL, vor allem Mauthausen, Flossenbürg, Dachau, teils in Arbeitslager, vor allem in Bitterfeld und Kahla, geschickt. Im Rahmen der harten Repressionsmaßnahmen, die im Sommer 1944 gegen die Partisanen und die Zivilbevölkerung, die sich ihrer Unterstützung „schuldig” gemacht hatte, durchgeführt wurden, brannten deutsche Truppen am 11. August 1944 die gesamte Ortschaft Aune (154 Häuser und 60 Hütten) in der Gemeinde Sovramonte nieder. Die Bewohner wurden gefangen genommen und in das Gefängnis in Baldenich (Belluno), von dort in das Durchgangslager Bozen und schließlich ins Lager Hermine in Greppin (Bitterfeld) gebracht, wo am 4. Oktober 1944 folgende Personen ankamen: Domenico De Bortoli, geboren 1897, der dort am 15. März 1945 starb, Argide De Bortoli, geboren 1914, Steinmetz, Candido Collet, Bäcker, geboren 1927 und sein Vater Eugenio, Bergmann, geboren 1896 in Rumänien, Lorenzo Gorza, Steinmetz, geboren 1903. Auch die jungen Männer, die am 7. August in Mugnai im Rahmen der gleichen Repressionsmaßnahmen gefangen genommen wurden, wurden mit ihnen weggebracht.

Abb. 18 a b: Der Brand in Aune (ISBREC, Archivio fotografico, fondo „Resistenza”, album 5, serie „Documentazione dei danni causati dal conflitto”)

Abb. 19: Die ältesten Töchter von Lorenzo Gorza vor den Ruinen von Aune (Eigentum von Graziella Gorza)

Abb. 20: Lorenzo Gorzas Akte im Lager Hermine (Arolsen Archives, Reference Code

02020201 oS, Number of documents 2943068)

Abb. 21: Argide De Bortoli (Eigentum von Eleonora De Bortoli)

Abb. 22 Candido Collet (Eigentum von Eleonora De Bortoli)

Abb. 23, 24, 25 Akten von Bruno Polesana, Vittorino Dalla Caneva und Pietro Donada aus Mugnai (Arolsen Archives, Reference Code 02020201 oS, Number of documents 2943068, Reference Code 02020201 oS, Number of documents 2943068, Reference Code 02020201 oS, Number of documents 2943068)

Abb. 26 Erklärung von Giuseppe D’Angelo aus Mugnai (Privatarchiv)

Quellen:
ASB Archivio di Stato Belluno
ASCB Archivio Storico Comune di Belluno
ASCL Archivio Storico Comune di Longarone
ASCSP Archivio Storico Comune San Pietro di Cadore

WORTE DER GESCHICHTE

Die über hundertjährige Migrationstradition im Gebiet Belluno im Rahmen endemischer Arbeitslosigkeit.

Die quantitative Dimension der aus dem Gebiet Belluno stammenden Arbeitskräfte in Deutschland im Dezember 1943.

Die verschiedenen Kategorien von Zwangsarbeitern im Gebiet Belluno.

von Adriana Lotto

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