Die Anwerbung von Arbeitskräften für Deutschland aus der Region Emilia von 1943 bis 1945 fand auf zwei sehr unterschiedliche Weisen statt.
In der Provinz Modena, wo die Auswanderung einzelner Arbeiter oder Bauernfamilien nördlich der Alpen in den vorangegangenen fünf Jahren aufgrund der bilateralen Pakte zwischen Italien und Deutschland als Reaktion auf die Arbeitslosigkeit weit verbreitetet war, begünstigte die Auswanderungstradition im ländlichen Kontext zumindest in der Anfangsphase die Annahme der von den faschistischen Behörden nach dem 8. September 1943 beschlossenen Anwerbepläne. Die Organisation der Anwerbung, die durch die Vermittlung der faschistischen Gewerkschaftsorganisation (Unione provinciale fascista degli agricoltori; Provinzialer faschistischer Bauernverband) durchgeführt wurde, und der massive, bis März 1944 andauernde Zulauf von Arbeitern, die per Einberufungsbescheid rekrutiert wurden, zeigten Ähnlichkeiten mit dem Fall der benachbarten Provinz Mantua: einem Gebiet, das zwischen 1938 und 1943 ebenfalls von einer massiven Auswanderung von Bauern ins Reich geprägt war und während der Sozialen Republik Italiens nicht zufällig zum Hauptsammellager für Landarbeiter wurde, die für die Versetzung nach Deutschland bestimmt waren, wie aus den Rekrutierungsplänen des Nationalen Arbeitskommissariats Marchiandi hervorgeht. Die deutschen und italienischen Beamten der RSI, die für die Arbeitsämter in der Provinz Modena zuständig waren, wendeten Anwerbungsformen an, die darauf abzielten, Arbeitskräfte auf der Grundlage wirtschaftlicher Anreize und der akribischen Quantifizierung von überflüssigen Arbeitskräften in der Region zu gewinnen, was zumindest in den ersten Monaten des Jahres 1944 zu beachtlichen Ergebnissen führte: Der Provinziale Landarbeiterverband von Modena bezifferte am 10. März 1944 die Gesamtzahl der angeworbenen Arbeiter auf 8.168.
Im restlichen emilianischen Gebiet hingegen waren die Zahlen der Anwerbung von Arbeitskräften für Deutschland nur dann hoch, wenn sie durch Strategien umgesetzt wurde, die auf der Anwendung von Gewalt und der Androhung von gewaltsamen Zwangsmaßnahmen beruhten. Die Rekrutierung von Arbeitskräften aus der Provinz Bologna für das Reich hing stark von der Rolle ab, die die Hauptstadt ab dem Frühjahr 1944 als wichtigstes Sammel- und Selektionszentrum für Menschen spielte, die aus den Frontgebieten, aus den Regionen Mittelitaliens und aus den Gebieten an der Gotenstellung zusammengezogen wurden und im Lager Caserme Rosse in der Via Corticella untergebracht waren. Während die Rekrutierung aus der Provinz Reggio Emilia einerseits durch die Vereinbarungen über den Zwangstransfer von Facharbeitern geprägt war, die zwischen den lokalen Vertretern des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion (RMRK) und der Unternehmensleitung der Officine Meccaniche Italiane Reggiane, dem einzigen wichtigen Industriebetrieb in dem überwiegend landwirtschaftlich geprägten Gebiet, unterzeichnet worden waren, stand sie andererseits im Zusammenhang mit den groß angelegten Razzien, die im Sommer 1944 in den Berggebieten durchgeführt wurden.
Die gewaltigen militärischen Antiguerrilla-Aktionen, die in erster Linie darauf abzielten, Partisanenbanden und vermeintliche Unterstützer des bewaffneten Widerstands zu lokalisieren, dienten in Wirklichkeit auch dazu, große Kontingente arbeitsfähiger Männer für die Arbeit in Italien und im Reich zwangszuverpflichten. Die drei Phasen der Operation Wallenstein, die von den deutschen Streitkräften in Zusammenarbeit mit den bewaffneten faschistischen Einheiten in den Provinzen Piacenza, Parma, Reggio Emilia und Modena zwischen dem 30. Juni und den ersten Augusttagen 1944 durchgeführt wurden, hatten die Form einer ausgedehnten Antibanden-Aktion zur Verteidigung der Apenninpässe. Daneben wurde die männliche Bevölkerung zwischen 15 und 55 Jahren systematisch aufgegriffen, was sowohl als Präventivmaßnahme als auch für den Ersatz der für die Kriegswirtschaft des Naziregimes notwendigen Arbeitskräfte diente.
Bis Mai 1944 erwies sich die Rekrutierung von Arbeitskräften für das Reich im Großen und Ganzen als unzureichend, um die von den deutschen Behörden für die Region gesetzten Ziele zu erreichen, wobei die Strategien zwischen Oktober 1943 und Juni 1944 in der Emilia nur wenig wirksam waren: Laut einem von den deutschen Polizeibehörden erstellten Prospekt wurden bis Mai 1944 lediglich 3.593 Industriearbeiter aus der Region über die Alpen geschickt, darunter 630 Frauen (von den Rekrutierten kamen 694 aus der Provinz Bologna, 400 aus Modena, 558 aus Reggio Emilia, 655 aus Parma). Obwohl es bis zum Sommer 1944 immer noch Fälle gab, in denen sich Arbeiter oder Familien spontan bei den deutschen Anwerbestellen für den Arbeitseinsatz (unter der Leitung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz – GBA) oder bei den Arbeitsämtern des Provinzialen faschistischen Arbeiterverbands meldeten, wurde in der klandestinen Presse, die anlässlich des Generalstreiks vom 1. März 1944 in Bologna in Umlauf gebracht wurde, unter anderem konkret zur Ablehnung des Einberufungsbescheids aufgerufen, mit dem Arbeitskräfte für Deutschland angeworben wurden. Die unter den Arbeitern verbreitete antifaschistische Presse setzte das Nichterscheinen zu Einberufungen ins Reich ausdrücklich mit Fahnenflucht und Wehrdienstverweigerung gleich. Die Vehemenz des Obstruktionismus führte dazu, dass die Behörden der RSI spezielle Strafmaßnahmen für diejenigen einführten, die sich nicht zur Arbeit meldeten (Haftstrafen bis zu 10 Jahren und Geldstrafen bis zu 20.000 Lire). Ab April 1944 wurden die durch Betriebsvereinbarungen festgelegten Zwangsverpflichtungen von Fach- und Landarbeitern, die auf den von kommunalen Kommissionen erstellten Listen beruhten, folglich zu einem gezielten Plan für den politischen Konflikt zwischen der Widerstandsbewegung und der lokalen Verwaltung, sowohl in der Provinz Bologna als auch in der Provinz Modena.
WORTE DER GESCHICHTE
Die Bedeutung der administrativen Anwerbung durch die Behörden der RSI in den ländlichen Gebieten rund um Modena.
Die versuchten Zwangsverpflichtungen vonseiten der Industriebetriebe und die Reaktion der Widerstandsbewegung: die Streiks in den Werken um Modena im April 1944.
Der Sommer 1944 und die Formen der gewaltsamen Rekrutierung in den Gebieten des Apennins. Verknüpfung von Aktionen gegen Partisanen und Anwerbung von Arbeitskräften: von den Operationen „Wallenstein” bis zum Massaker am Monte Sole.
Caserme rosse, Fossoli [und Gonzaga], als zentrale Knotenpunkte.
von Toni Rovatti