KAMPANIEN

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Im Morgengrauen des 23. September 1943 begann die Wehrmacht in Kampanien mit der ersten und größten Razzia unter der Zivilbevölkerung während der gesamten Besatzung. Innerhalb weniger Tage wurden nach deutschen Angaben fast 20.000 Männer auf dem Gebiet der damaligen Provinz Neapel (heute aufgeteilt in Neapel und Caserta), teilweise in den Provinzen Benevento und Salerno sowie in einem Teil des südlichen Latium zwischen Gaeta, Formia, Minturno und Castelforte gefangen genommen.

Diese „Menschenrazzia” fand parallel zu den Operationen mit dem Ziel statt, das Gebiet vor den alliierten Truppen – die noch wenige Tage zuvor am Brückenkopf in Salerno eingekesselt waren – als „verbrannte Erde” zu hinterlassen,  bevor sich die deutschen Streitkräfte auf neue, nördlicher gelegene Verteidigungslinien zurückzogen. Die vom deutschen Oberkommando erlassenen Bestimmungen umfassten neben dem Abtransport von Maschinen, Rohstoffen und Lebensmitteln auch die Zerstörung der zivilen und industriellen Infrastruktur und die Gefangennahme aller arbeitsfähigen Männer im arbeitsfähigen Alter zwischen 18 und 43 Jahren (Jahrgänge 1900-1925), die zur Arbeit ins Reich geschickt oder vor Ort eingesetzt wurden.

Die beteiligten deutschen Divisionen wurden angewiesen, Hauptsammellager in Formia, Sparanise und Maddaloni einzurichten, zu denen noch Gaeta und Frosinone hinzukamen.

Die sorgfältig vorbereiteten Razzien betrafen gleichzeitig eine Vielzahl kleiner und kleinster Ortschaften, in denen die lokalen Behörden angewiesen worden waren, die „waffen- und arbeitsfähigen” Männer auf den Hauptplätzen zu versammeln, während die deutschen Patrouillen die Ortschaften umstellten und von Haus zu Haus gingen.

Im Stadtgebiet von Neapel begann die Razzia erst am 27. September und führte zur sofortigen Gefangennahme vieler hundert Männer. Allerdings musste sie aufgrund des Volkswiderstands, der später als die „Vier Tage von Neapel” bekannt wurde, unterbrochen werden. Weitere Tausende Personen waren in der Zwischenzeit in den umliegenden Städten wie Castellammare di Stabia gefangen genommen worden, wo die „Sklavenjagd”, wie sie von den Deutschen oft bezeichnet wurde, besonders erfolgreich war.

Einige der Zusammengetriebenen wurden zur Schwerstarbeit hinter der Front eingesetzt, anderen gelang die Flucht aus den Sammellagern oder während der Transporte; viele Tausende wurden in Eisenbahnkonvois in Richtung Brennerpass verladen. Nach einer mehrtägigen Reise, bei der sie mit wenig Proviant auf engstem Raum in Güterwaggons eingepfercht waren, erreichten sie die zwei Hauptziele in Bayern: das KL in Dachau und das Militärgefangenenlager in Memmingen, Stalag VII B. Die meisten von ihnen blieben aber nur ein paar Tage dort, bevor sie an verschiedenen Orten hauptsächlich in Bayern und Österreich zur Arbeit eingesetzt wurden. Doch die in Kampanien aufgegriffenen Männer landeten auch in Sachsen und Niedersachsen. Der hauptsächliche Einsatzbereich war in Industriebetrieben, die mit der Herstellung von Rüstungsgütern zu tun hatten, wie Messerschmitt, BMW, MAN, Hermann-Göring-Werke, HASAG. Daneben gab es auch Gruppen, die in Chemiewerken, Sprengstofffabriken und Munitionsdepots, Bergwerken und Bauunternehmen, im Flussschiffbau, im Eisenbahnsektor sowie in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und Dienstleistungsunternehmen eingesetzt wurden.

WORTE DER GESCHICHTE

Wie die Razzia am 23. September 1943 in Kampanien durchgeführt wurde.

Die Rolle des KZ Dachau und des Stalag Memmingen bei der Verteilung der in Kampanien zusammengetriebenen Arbeitskräfte im Herbst 1943.

von Andrea Ferrari

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