Die verschiedenen Arten der Zwangsrekrutierung

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Die gesamte Palette der zuvor im besetzten Europa angewandten Maßnahmen (Angebot attraktiver Arbeitsverträge, Einberufungen nach Altersgruppen, Razzien auf dem Lande und in den Städten) kam in Italien zum Einsatz, wobei die Maßnahmen je nach Gebiet zum Teil unterschiedlich miteinander kombiniert wurden.

Selbst Operationen, die von den Besatzern in erster Linie zu anderen Zwecken konzipiert wurden, wie z. B. Razzien zur Bekämpfung von Partisanen oder Massenverhaftungen in Gebieten hinter der Front, um die Zivilbevölkerung zu schützen, wurden zur Gewinnung von Arbeitskräften eingesetzt.

Dabei wurde in Italien eine Praxis eingeführt, die im nationalsozialistischen Deutschland schon seit langem üblich war: Man verfolgte das Ziel, sich auch der gewöhnlichen Gefangenen aus den Gefängnissen zu bemächtigen.

Die verschiedenen Instanzen der RSI wirkten dabei mit oder widersetzten sich zumindest nicht. Die italienischen Zivilisten, die nach dem Waffenstillstand vom 8. September 1943 als Arbeitskräfte eingesetzt wurden, hatten ebenfalls mit politischen, ideologischen und rassistischen Vorurteilen zu kämpfen. 

Sie wurden in der Hierarchie der „Rassen” auf eine sehr niedrige Stufe gestellt, und der Umgang mit ihnen war oft von Gewalt und Ausbeutung geprägt.

Was den 8. September als Datum und die darauf folgende Zeit für die italienischen Fremdarbeiter so dramatisch machte, war der Übergang zu offenen Formen des Zwangs (allerdings waren schon bei der großen Anwerbung von Industriearbeitern im Jahr 1941 partielle Formen des Zwangs eingeführt worden, indem man die Unternehmen aufforderte, Arbeiter zu benennen, auf die sie verzichten konnten).

Zu den bereits in Deutschland arbeitenden Personen, die nach dem 8. September zum Verbleib im Reich gezwungen wurden, müssen also noch die etwa 100.000 Italiener hinzugezählt werden, die in den nunmehr überwiegend zwangsverpflichteten Gebieten des besetzten Italiens eingesetzt wurden. Außerdem kommen die in den unter Reichsherrschaft stehenden westeuropäischen Gebieten (Frankreich, Belgien und Luxemburg) ansässigen Italiener hinzu, die schon vorher auf unterschiedliche Art eingesetzt wurden. Zudem wurden beide Gruppen nicht immer nach ihrem Herkunftsland aufgelistet.

Zu den Personen, die aus dem besetzten Italien verschleppt wurden, kommt noch ein Teil derer hinzu, die im September 1943 in Kampanien wenige Tage vor den „Vier Tagen von Neapel” verhaftet wurden, und die fast 700 Personen, die im April 1944 im Quadraro-Viertel in Rom gefangen genommen wurden. Außerdem wurden – auf Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht vom 19. Juli 1944 an die Divisionen an der Front, die gesamte männliche italienische Bevölkerung nach Norden zu evakuieren, – von August bis Oktober 1944 allein in den von der 12. und 14. deutschen Armee kontrollierten Gebieten etwa 60.000 Personen festgenommen, die einer Auswahl und einer medizinischen Untersuchung hinsichtlich ihres Arbeitseinsatzes unterzogen und in drei Kategorien eingeteilt wurden: 1) zur Arbeit in Deutschland einsatzfähige Männer; 2) zu Zwangsarbeit in Italien einsatzfähige Männer; 3) arbeitsunfähige Männer. 

Von den 60.000, die in diesen zwei Monaten zusammengetrieben wurden, wurden etwa 7.000 nach Deutschland überstellt, während 22.500 zur Zwangsarbeit in Italien verblieben.
Wie bereits erwähnt, wurden in den 20 Monaten nach dem 8. September 1943 schätzungsweise über 100.000 Italiener als Zivil-/Zwangsarbeiter über die Grenze gebracht.
Berücksichtigt man die fast gleich große Zahl derjenigen, die sich bereits vor dem 8. September auf deutschem Gebiet befanden und dort inhaftiert waren, so ergibt sich eine Gesamtzahl von fast 200.000 Personen.