Nach einem ungeschickten Versuch, ganze Familienverbände zur landwirtschaftlichen Arbeit in das Reichsgebiet zu versetzen, erteilte der Präfekt Federico Menna am 19. Februar 1944 allen Bürgermeistern und Präfekturkommissaren der Provinz Rovigo die Anweisung, bis zum 10. März die Listen derjenigen zu übermitteln, die zur Arbeit in Deutschland verpflichtet werden konnten, Männer und Frauen gleichermaßen.

Sie wollten an den traditionellen Fleiß der Leute aus Polesine appellieren, um der Rekrutierung so spontan wie möglich zu gestalten, aber angesichts der eindeutig unzureichenden Reaktion gingen sie dazu über, alle Bürger, egal welcher sozialen Kategorie, zu verpflichten.

Unter Arbeitern sind dabei nicht nur Handwerker zu verstehen, sondern auch solche, die im Handel, in der Industrie und in der Landwirtschaft tätig waren, mit Ausnahme von Unternehmensleitern, jedoch nur einem pro Unternehmen.

Die Namen sollten von den kommunalen Kommissionen geliefert werden, die sich aus dem Bürgermeister bzw. dem Präfekturkommissar als Vorsitzendem, dem Sekretär der Republikanisch-Faschistischen Partei, dem Kommandeur der örtlichen Republikanischen Nationalgarde GNR und dem einzigen kommunalen Arbeitsvermittler in Zusammenarbeit mit allen örtlichen Treuhändern der Arbeiter- und Arbeitgeberverbände zusammensetzten.

In Wirklichkeit wollte niemand die Verantwortung für die Meldung der Namen übernehmen, da sie alle zur Gemeinschaft gehörten. Daher waren die Listen sehr ungenau erstellt, wie Präfekt Menna beklagte, so dass das Arbeitsamt die gesamte Arbeit mit erheblichem Zeitverlust wiederholen musste.

Auf jeden Fall wollten die lokalen Behörden, obwohl sie zu den faschistischen Institutionen gehörten, nichts mit dem zu tun haben, was als gewaltsamer Angriff auf die familiären Beziehungen empfunden wurde. [1 – ASRo, Prefettura, b. 951, Commissione provinciale di censura – 27 marzo 1944]

Am 7. März 1944 war es ihnen in Trecenta nach viel Überzeugungsarbeit gelungen, 75 Arbeiter zur Abreise zu bewegen; allerdings erschienen der Bürgermeister, der Sekretär der Republikanisch-Faschistischen Partei und alle anderen Behördenvertreter zur Abreise der Rekrutierten nicht. Es kam zu erschütternden Szenen mit Tränen, Schreien und Ohnmachtsanfällen, aber auch voller Animositäten gegenüber den Behörden.

Auch in Polesine stieß die weibliche Rekrutierung auf viel Feindseligkeit und Widerstand. In einigen Fällen, wie in Trecenta, zogen die Frauen es vor, verhaftet und ins Gefängnis gebracht zu werden, weil sie sich weigerten, den Einberufungsbescheid für Deutschland zu erhalten. [2-4 – ASRo, Prefettura, Gabinetto, II vers., Atti segreteria particolare, a. 1944, b. 49]

In Crispino hingegen gingen zahlreiche Menschen zunächst auf die Straße, um zu protestieren. Später hinderten sie die Männer unter Drohungen und mit Stöcken bewaffnet daran, zur medizinischen Untersuchung vor der Abreise zu erscheinen. Auf diese Weise blieb der gute Wille der Männer, den Befehlen der Vorgesetzten zu gehorchen, erhalten und sie konnten folglich nicht angeklagt oder verhaftet werden. Der Protest dauerte bis Mitte April, als in Pettorazza Hunderte von Frauen gegen die Entsendung ihrer Angehörigen nach Deutschland demonstrierten. [5 – ASRo, Prefettura, Gabinetto, II vers., Atti segreteria particolare, a. 1944, b. 49, fasc. 3; 6 – ASRo, Prefettura, Gabinetto, II vers., Atti segreteria particolare, a. 1944, b. 49, fasc. 24]

In den Nachrichten der Republikanischen Nationalgarde wurde darauf hingewiesen, dass die Rekrutierung in der gesamten Provinz schlechte Ergebnisse erzielt hatten: Bis Anfang März hatten die kommunalen Kommissionen 7.000 männliche und weibliche Arbeitskräfte rekrutieren können, was einerseits eine Verschärfung sowohl der Geld- als auch der Freiheitsstrafen und andererseits die Rekrutierung nach Altersgruppen notwendig machte.

Zu diesen Listen kamen aber noch andere hinzu, die nun unter großer Geheimhaltung erstellt wurden, wie zum Beispiel für Personen, die als subversiv galten, aber auch für Faschisten, die loszuwerden man für klug hielt; oder ganz offensichtliche Listen mit ehemaligen Carabinieri, Personen, die gewöhnlich „untätig” waren oder im Verdacht standen, auf dem Schwarzmarkt Handel zu treiben, und mit ihnen alle Personen, die dem neuen faschistischen Staat unwillkommen und ein Hindernis für die Fortsetzung des laufenden Krieges sein könnten. [7 – ASRo, Prefettura, Gabinetto, II vers., Atti segreteria particolare, a. 1944, b. 49, fasc. 24]

Die Rekrutierung stieß auf erhebliche Abneigung und Schwierigkeiten, so dass die Republikanische Nationalgarde zwischen April und Mai 1944 mindestens 18 Razzien durchführte und hauptsächlich nachts von Haus zu Haus zog, um Arbeiter im Schlaf zu erwischen, die sich weigerten, nach Deutschland zu gehen. Dabei wurden ein paar Dutzend Personen gefangen genommen, doch die Rekrutierten, die sich den Partisanen angeschlossen hatten, waren mittlerweile zahlreich. [8 e 9 – 6 – ASRo, Prefettura, Gabinetto, II vers., Atti segreteria particolare, a. 1944, b. 49, fasc. 24]

Um Anreize für die Ausreise ins Reich zu schaffen, veröffentlichten die italienischen Behörden und die zur Anwerbung nach Italien entsandten deutschen Agenturen eine Reihe von Anzeigen in der Rinascita, der Wochenzeitung des Verbands der Republikanisch-Faschistischen Partei in Rovigo, die durch Werbeinserate die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen versuchten.

Die Appelle richteten sich an die gesamte Bevölkerung zwischen 16 und 60 Jahren, an jede Berufsgruppe, vom Bauern bis zum Barbier, vom Geflügelzüchter bis zum Ingenieur.

Die Versprechen waren immer die gleichen: hohe Löhne, sichere Unterstützung und Schutz, absolute Gleichheit mit deutschen Arbeitern. Einladungen, nach Deutschland zu gehen, wurden ähnlich wie Werbeslogans in einer freundlichen, fast vertraulichen Sprache formuliert, so dass die Bezeichnung Padre (dt. Vater) als zu neutral galt und zum lieben Babbo (dt. Papa bzw. Papi) wurde: “Papa in Deutschland arbeitet für uns!” ruft denn auch das kleine Mädchen glücklich beim Anblick der vielen großen Geldscheine, mit denen ihre Mutter winkt. [10 – Rinascita 2 luglio 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 11 e 12 – Rinascita 5 agosto 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 13 e 14 – 13 – Rinascita 9 luglio 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 15 – Rinascita 18 giugno 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 16 – Rinascita 19 agosto 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 17 – Rinascita 19 marzo 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 18 – Rinascita 21 gennaio 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4); 19 -Rinascita 13 febbraio 1944 (ASRo, CAS, b. 1, fasc. 4)].

WORTE DER GESCHICHTE

Die Reaktion der Bevölkerung der Polesine auf die Zwangsverpflichtungen zur Arbeit.

Die Maßnahmen, die von den deutschen und italienischen Behörden angesichts der geringen Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise zur Arbeit in Deutschland ergriffen wurden.

Die Mittel, um die Ausreise nach Deutschland zu fördern.

von Sonia Residori

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