In der Gegend von Vicenza wurden Arbeiterinnen und Arbeitern ab Mitte Februar 1944 Einberufungsbescheide zur Arbeit in Deutschland zugeschickt, was zu großer Unzufriedenheit führte. Die Situation spitzte sich mit dem Aufruf zu medizinischen Untersuchungen so sehr zu, dass die Unternehmen in den Industriezentren der Gegend um Vicenza (zuerst Schio, dann Valdagno) nacheinander in den Streik traten. Als sich der Protest ausweitete, wurden überall „subversive” Flugblätter verteilt, insbesondere gegen die Anwerbung von Frauen zur Arbeit in Deutschland, was als moralisches Vergehen angesehen wurde, weil sie – so behauptete man – im Reich sowohl physischen als auch moralischen Gefahren ausgesetzt seien und leichte Beute für deutsche Soldaten werden könnten. Es gab Gerüchte, die das Schicksal der Frauen in den düstersten Farben ausmalten, so dass sich viele von ihnen bereits auf die Flucht vorbereiteten. [1 – ACS, MI, Dgps, Dagr, Rsi, 1943-45, b. 20, fasc. 62/1, Vicenza manifesti e stampa sovversiva 1944; 2 – ACS, MI, Dgps, Dagr, Rsi, 1943-45, b. 20, fasc. 62/2, Vicenza manifestini sovversivi 1944]

Angesichts der Arbeiterunruhen und der Unzufriedenheit des Volkes wurde die Unterdrückung durch die faschistische Seite immer hinterhältiger und die deutsche Militärbehörde ergriff harte Vergeltungsmaßnahmen, wenn auch vorerst nur begrenzt.

Vor allem aber traf es die Arbeiter des Unternehmens Officine Pellizzari in Arzignano, das am 28. März 1944 gegen die Arbeitsauflagen gestreikt hatte: Vier Arbeiter wurden auf den Burgen in Montecchio Maggiore hingerichtet, während 24 zunächst inhaftiert und dann in das Konzentrationslager Fossoli gebracht wurden. [3, 4, 5 – Archivio privato De Marzi, Corrispondenza Fossoli].

Von diesen wurden 21 mit dem Transport Nr. 53 nach Mauthausen deportiert, auch wenn sie anschließend andere Wege gingen. Costantino Zini und Giuseppe Rampazzo blieben im KL in Mauthausen bzw. Gusen; Ersterer starb kurz nach seiner Heimkehr, Letzterer laut Todesmeldung am 10. Januar 1945 um 5.40 Uhr im Konzentrationslager. [6 – Archiv Arolsen – 1710427 Giuseppe Rampazzo; 7 – Archiv Arolsen – 130143152 Costantino Zini]

Die anderen hingegen wurden, nachdem sie eine Verpflichtung unterschrieben hatten, sich „gut zu benehmen”, zur Arbeit in die verschiedenen Fabriken des Reichs geschickt. Romeo De Marzi arbeitete für die Kraftwerke Oberdonau in Gmunden und für die Aluminiumwerke GmbH in Steeg am Hallstättersee. [8 und 9 – Privatarchiv De Marzi, Arbeitsbuch für Ausländer; 10 und 11 – Archivio privato De Marzi, Kontrollkarte für den Auslandsbriefverkehr]

Ich habe dir 300 £ geschickt, schreibt er am 8. September 1944 an seine Frau, um sie zu beruhigen, und mir versichern lassen, dass du das Geld auch sicher erhältst; wenn du es nicht brauchst, kannst du einen Kinderstuhl für Gabriella kaufen, zumindest hat sie so eine Erinnerung an ihren Vater aus Deutschland […] meine Arbeit läuft sehr gut, samstags nach dem Mittagessen und sonntags haben wir frei; was das Essen betrifft, geht es mir nicht schlecht; morgens trinke ich einen Milchkaffee, mittags esse ich in der Kantine und abends mache ich mir selbst was. Ich esse etwa 500g Brot mit Salami, Butter oder Margarine oder Marmelade mit Zucker und dann gehe ich auf eine Suppe und ein gutes Bier. [12 Privatarchiv De Marzi, Corrispondenza Steeg]

Trotz der Streiks wurde die Einberufung nach Deutschland fortgesetzt und bezog auch die Arbeiter der großen Fabriken in Vicenza ein; die Frauenfrage wurde jedoch zurückgestellt. Am 17. April 1944 teilte der Sekretär der Republikanisch-Faschistischen Partei (PFR) Alessandro Pavolini allen Provinzleitern mit, dass die Einberufung von Frauen ausgesetzt worden sei, wobei die freiwillige Ausreise nach Deutschland weiterhin gefördert werde, insbesondere für Bäuerinnen.

Am 8. Mai verließen 80 Marzotto-Arbeiter zwangsweise das Land. Sie wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Eine ging nach Maltheuern/Brüx (Most) im Sudetenland und war bei der Sudetenländischen Treibstoffwerken A.G. beschäftigt; die andere ging nach Vorwohle in Niedersachsen, 20 km von Holzminden entfernt, und war bei der Portland Cement Fabrik beschäftigt. [13 e 14 – Archivio privato Cracco, Diario; 15-18 – ACVa, b. 525, 1944, fasc. Mobilitazione per lavoro obbligatorio]

Über diese Erfahrungen – Einweisung, erzwungene Abreise und das Leben in der Fabrik – schrieb Giovanni Cracco ein Tagebuch, während von Igino Spiller ein Brief vom August 1944 an seine Familie überliefert ist, der im Stadtarchiv aufbewahrt wird:

Vorwohle 16-8

Lieber Papa, lieber Bruder,

hiermit möchte dich von meinem ausgezeichneten Gesundheitszustand in Kenntnis setzen und hoffe, dass es euch allen und meinen Geschwistern, die so weit weg sind, ebenso ergeht. Neues habe ich nicht zu berichten, hier läuft immer alles im gleichen Trott. Ich habe noch keine Post von euch erhalten, der letzte Brief, den ich bekommen habe, war der mit den Unterlagen. Diesbezüglich habe ich nichts zu erwarten, denn der Zuschlag für weit entfernte Familien steht nur Verheirateten zu. Noch immer keine Post von meinen Geschwistern erhalten, ich hoffe, dass ihr welche bekommt. Ich habe Maria Catinella Ida und den anderen geschrieben und nach drei Monaten hier habe ich erst drei Briefe von euch bekommen. Funktioniert die Post nicht oder sind alle gestorben? Ich hoffe nicht. Grüßt sie auf jeden Fall alle von mir. Wie ich euch schon auf einer früheren Postkarte geschrieben habe, habe ich euch 100 Mark geschickt und hoffe, dass sie bei euch ankommen. Grüße an Cleto, falls er noch in Vicenza ist, Rino Giovanni und die Kleinen. Grüßt die Familie Lora von mir. Mehr habe ich nicht zu berichten. Bleibt gesund und voller Mut, in der Hoffnung, euch bald zu sehen, sende ich euch Grüße, euer liebevoller Sohn und Bruder

Igino

Ich habe gerade einen Brief von Cleto aus Ravenna vom 27.7. erhalten. Es geht ihm gut.

[19-20 – ACVa, b. 525, 1944, fasc. Mobilitazione per lavoro obbligatorio]

Auf die Einberufung zur Arbeit in Deutschland reagierte die Widerstandsbewegung sofort und organisierte bald aufsehenerregende, bald sogar gewaltsame Aktionen. In Valdagno wurde der Hausmeister der Gemeinde, der für die Hauszustellung der Einberufungsbescheide zuständig war, von den Partisanen verhaftet und mit der Aufforderung freigelassen, er solle sich eine andere Arbeit suchen, da er sonst sterben werde.

Am 12. Juni 1944, als etwa 20 junge Männer aus San Vito di Leguzzano von faschistischen Soldaten nach Schio gebracht wurden, überfielen die Partisanen, die sich hinter den Hecken am Straßenrand versteckten, die Eskorte und lieferten sich mit ihr ein Feuergefecht, das durch die Ankunft einiger Deutscher als Verstärkung noch härter wurde. [21-22 – APSVL, Cronistorico 8.VI.1944]

Einige der jungen Männer entkamen, am Ende wurden sie aber fast alle gefasst, in Gruppen zusammengefasst und ins Gefängnis San Biagio in Vicenza gebracht. Von dort aus wurden sie dann zur Arbeit nach Deutschland geschickt. Ferdinando Casarotto z. B. wurde in dieselbe Fabrik gebracht wie die Valdagno-Arbeiter, nämlich in die Sudetenländischen Treibstoffwerke in Oberleutensdorf (heute Litvínov) – Bezirk Brüx; Luigi Bertoldi als Elektriker in das 11. Wohnlager 31 über Brüx; andere wie Umberto Sette und Giuseppe Veronese als Mechaniker bzw. Maschinist nach Salzburg. [23 – Privatarchiv Casarotto, Werksausweis von Casarotto Ferdinando ; 24 – APSVL, Foto dei reduci con il parroco, don Fracca, 1946]

WORTE DER GESCHICHTE

Die Zwangsverpflichtung zur Arbeit in Deutschland führte zu Unzufriedenheit, Protesten und Streiks in den wichtigsten Industrien Vicenzas.

Die Repressionsmaßnahmen der deutschen Besatzer gegen die Arbeiter des Pellizzari-Unternehmens.

Die Reaktion des Widerstands auf die Einberufung zur Zwangsarbeit.

von Sonia Residori

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